Fachkräftemangel in der Gastronomie: Mit diesen Rezepten geht's raus aus dem Jammertal

Susanne Knechtges

Die Gäste sind zurück, doch das Personal fehlt. Jobs in der Gastronomie scheinen für viele nicht mehr attraktiv. Die Branche benötigt dringend neue Rezepte, um gegen den Fachkräftemangel anzukämpfen. Eine der Zutaten: mehr Lohn und kreative Ansätze. Eine Übersicht unter Branchenvertretern in Deutschland, Österreich und der Schweiz.


 

Im gesamten DACH-Raum fehlt es Gastronomiebetrieben an Fachkräften

 

Egal, ob man in den Schweizer Bergen, an der Nordsee oder in einer deutschen Großstadt unterwegs ist: Überall suchen Gastronomiebetriebe Personal – und zwar händeringend. Denn das ist seit den Lockdowns Mangelware. Viele ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten sich während der langen Schließungen umorientieren. Entweder weil das Kurzarbeitergeld nicht reichte, oder weil sie als nicht festangestellte Aushilfen oder 450-Euro-Kräfte gar keinen Anspruch darauf hatten. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt und auch der Nachwuchs fehlt, denn das Interesse an einer Ausbildung in der Gastronomie ist ebenfalls stark zurückgegangen.


Ein paar Zahlen illustrieren das Dilemma: In der Schweiz waren vor dem Ausbruch der Pandemie gut 191.500 Menschen in der Gastronomie beschäftigt. Ende 2021 waren es 30'000 weniger. Ein Rückgang von rund 15 Prozent.

In Deutschland sieht es ähnlich aus. Im vierten Quartal 2019 waren 1.494.000 Beschäftigte in der Gastronomie tätig. 24 Monate später, hatten 250'000 Menschen die Branche verlassen - ein Rückgang von fast 17 Prozent.


Der Fachkräftemangel in der Gastronomie in Zahlen


Seit dem Wegfall aller Corona-Restriktionen ist damit der Personalmangel das größte Problem auf dem Weg zurück in eine neue Gastronomie-Normalität.

"Es ist eine Riesenherausforderung für die Betriebe, geeignete Mitarbeiter zu finden.“

- Guido Zöllick, Präsident des Bundesverbandes der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband).

In einer Umfrage seines Verbandes im September 2021 stellt der Fachkräftemangel für fast 80 Prozent der Betriebe ein Problem dar.
Auch in der Schweiz ergab eine Mitgliederumfrage von GastroSuisse (Verband der Hotellerie und Restauration in der Schweiz) im Januar 2022, dass in allen Regionen Fachpersonal fehlt. Der größte Mangel herrscht mit jeweils fast 40 Prozent bei den Servicekräften und Köchen.


Auf das fehlende Personal reagieren die Betriebe kurzfristig mit Anpassungen bei den Öffnungszeiten und bei den Speisekarten. Mittelfristig muss die Gastronomie als Arbeitgeber aber wieder attraktiv werden. Dafür werden verschiedene Wege eingeschlagen.


Corona als grösste Ursache für den Fachkräftemangel


Schon vor dem Beginn der Pandemie gab es in der Branche zu wenig Personal. In Deutschland ist das Problem teilweise hausgemacht: oftmals schlechte Bezahlung und wenig attraktive Arbeitsbedingungen. Traditioneller Bestandteil der Gastronomie waren deshalb immer viele gering qualifizierte Menschen und auch ein hoher Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergund. Wer als Ungelernter eine Anstellung suchte, landete häufig in der Gastronomie.

Die Löhne waren unterdurchschnittlich und die Arbeitsverhältnisse garantierten oft nur eine gewisse Anzahl an Stunden. Dafür galt das Gastgewerbe als vermeintlich krisensicher. Bis Corona kam.

Personalmangel

Viele der Beschäftigten waren plötzlich in Kurzarbeit oder erwerbslos und mussten sich umorientieren. Nicht wenige von ihnen sind nach der Wiedereröffnung der Gastronomie in ihren neuen Branchen geblieben. Wer also jetzt auf der Suche nach neuem Personal ist, muss die Anstellungsbedingungen grundlegend ändern.


Lösungen gegen den Fachkräftemangel: Unsere Rezepte

  1. Faire Bezahlung - In Deutschland soll der Mindestlohn 2022 schrittweise bis zum Oktober auf 12 Euro erhöht werden. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hat für das Bundesland Nordrhein-Westfalen erreicht, dass bereits ab Mai 2022 ein Stundenlohn von 12,50 Euro im Gastgewerbe gilt. Auch die Ausbildungsvergütungen werden erhöht, denn es fehlt flächendeckend der Nachwuchs.

  2. Neue und flexible Arbeitsmodelle - Innerhalb der Betriebe setzen die Arbeitgeber vor allem auf Änderungen bei den Arbeitszeitmodellen und Organisationsstrukturen.

  3. Verbesserte Abläufe

  4. Entlastung des Servicepersonals durch mobile Kassen- und Bezahlsysteme

  5. Digitale Schnittstellen zur Küche

  6. Eine moderne und mitarbeiterorientierte Zeit- und Einsatzplanung sollen das vorhandene Personal entlasten.

Auf politischer Ebene fordert der Dehoga, die für Oktober 2022 geplante Erhöhung der Verdienstgrenze für Minijobs von 450 auf 520 Euro vorzuziehen. Das würde im kommenden Sommer zur Überbrückung von Personalengpässen helfen. Langfristiger ist die Forderung, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus dem März 2020 praktisch umzusetzen. Ausländische Berufsabschlüsse sollten unbürokratisch anerkannt, die Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit effizienter und Visumverfahren schneller werden.


Gratiskurse und mehr ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz


Auch in der Schweiz sollen mehr ausländische Fachkräfte den Gastronomiebetrieben helfen, dem Personalengpass entgegenzuwirken.

GastroSuisse setzt sich für folgende Massnahmen ein:

  • Das Drittstaatenkontingent für die gastgewerblichen Berufe soll geöffnet werden, insbesondere für Servicefachkräfte und Köche.

  • Außerdem sollen in der Schweiz ausgebildete Drittstaatsangehörige in Bereichen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel einfach und unbürokratisch in der Schweiz bleiben und eine Erwerbstätigkeit ausüben können.

  • Für Quereinsteiger und Menschen ohne berufliche Grundbildung gibt es für die Gastronomie schon seit 20 Jahren auch die sogenannten PROGRESSO-Lehrgänge der Hotel & Gastro Formation Schweiz. Die Weiterbildung erfolgt beispielsweise in den Bereichen Küche, Service oder Systemgastronomie. Als zusätzlicher Anreiz sind bis Ende des Jahres 2022 alle Kurse gratis.
  • Um das Personal zu halten, bieten die Betriebe auch darüber hinaus Möglichkeiten, sich zu qualifizieren und/oder anerkannte Prüfungen abzulegen. Auf einer gemeinsamen Plattform der Schweizer Hotel-, Gaststätten- und Cateringverbände sowie der entsprechenden Gewerkschaften können diese Angebote in Anspruch genommen werden – für die Teilnehmenden meist kostenlos.


Ausblick auf eine neue Normalität in der Gastronomie

 

Um ihre Gäste optimal bewirten zu können und für neues Personal attraktiv zu sein, müssen die Betriebe demnach ein Bündel von Maßnahmen umsetzen. Klar ist, dass die Bezahlung sich wenigstens an den Mindestlöhnen orientieren muss.

Zusätzliche finanzielle Anreize können dann den Ausschlag geben, sich für den einen oder die andere Option zu entscheiden. Gerade die Unternehmen, die regelmäßig viele Aushilfskräfte benötigen, müssen sich auf den Wettbewerb um diese Kräfte einstellen.

 

80 Prozent der Aushilfen in der Gastronomie weg - jetzt sollen Prämien helfen


So hat sich die zur Bayer Gastronomie gehörende BayArena ein Prämiensystem einfallen lassen, um die an Bundesliga-Spieltagen regelmäßig benötigten bis zu 600 Aushilfen an sich zu binden. Um diese Anzahl sicherzustellen, braucht man erfahrungsgemäß einen Pool von rund 800 Leuten.

Axel Bindels, Betriebsleiter BayArena bei der Bayer Gastronomie in Leverkusen, erzählt, dass sie durch die Pandemie ca. 80 bis 90 Prozent des Personals mit dem entsprechenden Know-How verloren haben und durch das Prämiensystem hoffen, möglichst bald wieder genügend Aushilfen mit Erfahrung an Bord zu haben.

 

Bindels-Axel_2325aPrämien gibt es für „Aushilfskräfte, die schon zum Saisonende verbindlich für die nächste Saison unterschreiben und für die, die während der Saison eine entsprechende Anzahl an Spieltagen arbeiten“, erklärt Bindels das System. Auch für die Aushilfen, die an Wochentagen arbeiten, gibt es spezielle Prämien.

 

"Durch die Pandemie, ist die Bereitschaft, sich frühzeitig festzulegen, deutlich zurückgegangen. Also müssen wir versuchen, den Leuten Anreize zu bieten."

- Axel Bindels (im Bild), Betriebsleiter der BayArena in Leverkusen

Die Prämien werden erstmals im Dezember 2022 ausgezahlt und dann jeweils zum Saisonende der Bundesliga. Grundlage dafür sind die jeweiligen Einsatztage und Arbeitszeiten. Mit der Personalplanungssoftware von Staffcloud lässt sich die dafür erforderliche Auswertung leicht ziehen, um die Prämien entsprechend zu berechnen.

 

Idee: Mitarbeiter werben neue Mitarbeiter an - das soll sich lohnen

 

Prämien scheinen das Gebot der Stunde zu sein. Beim österreichischen Caterer impacts setzt man bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern auf das bestehende Personal, wie Tobias Ritthaler erklärt: 

"Im Recruiting setzen wir auf ein 'Mitarbeiter werben Mitarbeiter'-Konzept."

Gelingt die Anwerbung, so wird die Rekrutierung mit Vermittlungsprämien belohnt, so Ritthaller. Doch das alleine reicht noch lange nicht aus. "Wir haben auch mit einfachen Flyern, die wir bei Veranstaltungen aufgelegt haben, guten Rücklauf erzielt. Diese hatten wir mit einem QR Code versehen, über den man direkt zu unserer Staffcloud Recruiting Seite kommt, wo die potentiellen Mitarbeiter gleich in den Bewerbungsprozess einsteigen können."

Für ihn habe aber das Recruiting und die Mitarbeiterbindung für die Aushilfen eigentlich schon während der Corona-Krise begonnen:

 

"Mit Beginn der Corona Krise konnten wir von einem Tag auf den anderen unserem  Aushilfs-Mitarbeiterpool keine Jobs mehr anbieten. Im Laufe der Krise haben wir es geschafft, neue, branchenfremde Jobs für unsere Mitarbeiter zu finden."

- Tobias Ritthaler, Key Account Manager bei impacts Catering in Salzburg

Durch die branchenfremde Beschäftigung der Mitarbeiter konnten viele Aushilfen im Pool gehalten werden. 
 

Kann Automatisierung den Fachkräftemangel in der Gastronomie lösen?

 

Die Zukunft wird zeigen, inwieweit Gastronomiebetriebe sich an die Post-Corona-Zeit anpassen können und wollen. Finden sie auf längere Zeit nicht genügend Leute, können sie es immer noch wie ein Hamburger Barbesitzer machen - er setzt den Serviceroboter „Bella“ ein, um Gästen den nächsten Cocktail zu servieren. Prost!



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