Die falschen Versprechen der Gig-Economy

Yves Ortiz

 

«Arbeite, wann immer du möchtest und nur in den Projekten, welche Dir zusagen. Arbeite flexibel und führe einen ungezwungenen Lebensstil.» So preisen die neuen digitalen Arbeitsvermittlungs-Plattformen die Vorteile des Freelancer-Daseins. Die Ubers, Deliveroos, Upworks, und Toptals dieser Welt verstehen sich selbst nicht als Vermittler, sondern als Marktplätze, wo jeder seine Fähigkeiten - als Dienstleistung verpackt - zu Markte trägt. Die Kunden sollen für jede noch so kleine Arbeit auf eine riesige Auswahl an «Freelancer» zurückgreifen können, und das zu einem unschlagbar günstigen Preis, denn digitale Marktplätze kennen keine Landesgrenzen und die «Freelancer» stehen in weltweiter Konkurrenz zueinander. Das ist die neue verheissungsvolle Welt der Gig-Economy.

Was zu gut klingt, um wahr zu sein, hat meistens einen Haken. Das haben uns schon unsere Eltern beigebracht.

Plattformen wälzen Risiken ab

Bevor ich in die Details einsteige, möchte ich einen der wichtigsten Deals in unserer Gesellschaft in Erinnerung rufen, nämlich den Deal zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern: Unternehmen treffen Entscheidungen oder setzen Ziele, welche die Arbeitnehmer nach bestem Wissen umsetzen sollten. Die Unternehmen tragen das unternehmerische Risiko, haben im Erfolgsfall Anspruch auf den resultierenden Gewinn. Die Arbeitnehmer haben im Gegenzug Anrecht auf eine risikolose Entschädigung in Form eines Lohns. Der Lohn bildet in der Regel die einzige Einkommensquelle der Arbeitnehmer und ist durch eine ganze Reihe von Gesetzen geschützt.

Das Geschäftsmodell der Gig-Plattformen möchte nicht nur an diesem Deal rütteln, sondern ihn gleich zerschlagen. Ganz nach dem Silicon Valley-Motto: «Move fast and break things».

Private Personen oder Unternehmen sind stets auf externe Dienstleistungen angewiesen. Bisher stellte man hierfür jemanden an oder man beauftragte Unternehmen und ihre Angestellten, welche die Dienstleistung erbringen können.

Anders die Gig-Plattformen. Sie umgehen diesen traditionellen Weg, indem sie «Freelancer» mit dem Kunden zusammenbringen. Die «Freelancer» erhalten im Geschäftsmodell die Rolle einer Kleinst-Firma, verrechnen aber in der Regel lediglich ihre Arbeitszeit. Die «Freelancer» bleiben also in der Position von Arbeitnehmern mit dem gewichtigen Unterschied, dass die «Gigs» (die Aufträge) unregelmässig stattfinden und sie nicht über die Absicherungen des oben beschriebenen Deals verfügen.

Zwei Profiteure – Freelancer bleiben auf der Strecke

Folgt man der Logik des Geschäftsmodells der Gig-Economy, so brauchen die für Arbeitnehmer üblichen Absicherungen (Arbeitslosenversicherung, Rente, Krankenversicherung, etc.) weder die Kunden der Plattform noch die Plattform zu kümmern. Da man nicht davon ausgehen kann, dass die «Freelancer» die Absicherungen (Versicherungen, Rente etc.) in ihren angebotenen Stundensätzen miteinrechnen, werden diese Kosteneinsparungen zwischen den Plattformen und deren Kunden aufgeteilt. In letzter Konsequenz wird die Allgemeinheit für die Kosten der fehlenden Absicherungen der «Freelancer» aufkommen müssen.

Warum also tolerieren Gesellschaften das Aufkommen solcher Geschäftsmodelle? Zum einen benötigt die Politik eine gewisse Zeit, bis sie die Auswirkungen eines nicht-nachhaltigen Geschäftsmodells erkennt.

Zum anderen wissen die Akteure der Gig-Economy die Kosten, die sie auf die Allgemeinheit abwälzen, gut zu verstecken. Hierfür stehen Ihnen brillante Marketingfachleute, Juristen und Lobbyisten zur Verfügung, die sie aus dem reichlich fliessenden Risikokapital finanzieren.

Ich vertraue auf unsere Vernunft und darauf, dass wir solche Geschäfts-Modelle langfristig von unseren aller Leben entfernen oder zur Wandlung zwingen, auf dass sie der Gesellschaft dienen.

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